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Titel
Der Dakar-Prozess. Der Anfang vom Ende der Apartheid in Südafrika


Autor(en)
Ulrich van der Heyden
Erschienen
Anzahl Seiten
176 S.
Preis
€ 19,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Bernd Lemke, Forschungsbereich Militärgeschichte nach 1945, Abteilung Forschung, Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften, Potsdam (ZMSBw)

Das Ende der Apartheid in Südafrika ist mit dem Ende des Kalten Krieges stark verbunden. Die Frage ist nur: in welcher Weise genau, welche Akteure und Faktoren hatten welchen Anteil?

Alle damit zusammenhängenden Fragen werden dadurch verschärft, dass sich die Lage in Südafrika seit Jahren nicht gerade zum Besten entwickelt. Teils im Gegenteil zu den großen Hoffnungen seit der Freilassung Nelson Mandelas und dessen Präsidentschaft im Jahre 1994 scheinen Ziele wie (auch ökonomische) Gleichheit, verantwortliches Regieren, sozialer Frieden und Verständigung zwischen den verschiedenen Volksgruppen in weite Ferne gerückt zu sein. Manch ein Zeitgenosse fragt sich angesichts dessen, ob das Ende der Apartheid, zumindest so, wie das Geschehen seit der zweiten Hälfte der achtziger Jahre ablief, wirklich den großen Aufbruch bedeutete.

Derlei Fragen stehen im Hintergrund des kleinen Bandes von Ulrich van der Heyden zur Konferenz von Dakar im Jahre 1987. Die Konferenz kam zustande, nachdem nicht zuletzt Angehörige der weißen Bevölkerung, hier unter anderem Oppositionspolitiker, Wissenschaftler, Künstler und Geschäftsleute, die zunehmend verfahrene Lage in Südafrika erkannt hatten. Das Apartheid-Regime geriet zunehmend auch in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Es stand zu befürchten, dass eine weitere Zunahme der Gewalt zu einer Eskalation führen konnte.

Der Politiker und Soziologe Frederik van Zyl Slabbert und andere interessierte Weiße nahmen daher Kontakt zum African National Congress (ANC) auf. Der Impuls wurde aufgenommen und informelle Treffen arrangiert, die dann zur Konferenz führten. Die Konferenz selbst war insgesamt ein Erfolg, weil auch prominente Vertreter des ANC teilnahmen. Es wurde rege diskutiert, die wechselseitigen Standpunkte ausgetauscht und erörtert, wie die Zukunft in Südafrika gestaltet werden sollte. Damit war ein erster wesentlicher Schritt zur Vertrauensbildung getan.

Der Autor spricht, wohl in bewusster Anlehnung an die Geschehnisse in Helsinki und danach, vom „Dakar-Prozess“. Dieser interessante Vergleich wirft mehrere Fragen auf, die weitere Forschung anregen dürften. Inwieweit hatten die damaligen Akteure, hier vor allem auch die Mitglieder des ANC, diese Parallele erkannt? Gab es vielleicht sogar die Absicht, in Anlehnung an den KSZE-Prozess Ähnliches für Südafrika in Gang zu setzen? Waren sie sich der grundlegenden Möglichkeiten und Grenzen von derlei Prozessen bewusst, hier vor allem der Bedeutung des bipolaren, durchaus auf Europa konzentrierten Wettlaufs der Supermächte?

Das Werk zeigt einige sehr interessante Aspekte auf, ohne indes endgültige Antworten liefern zu wollen oder zu können. Die Studie bietet jedoch, gerade auch für den deutschsprachigen Raum, eine sehr gute Orientierung, hier auch anhand von Primärquellen und einigen interessanten, im Anhang abgedruckten Dokumenten (z.B. eines ausführlichen Berichtes von Dr. Klaus Freiherr von der Ropp direkt nach der Konferenz 1987).

In diesem Zusammenhang stellen sich wichtige Fragen über die historische Bedeutung der Konferenz von Dakar. Auf jeden Fall ist der Auftaktcharakter bemerkenswert, und auch die atmosphärische Annäherung bzw. Verbesserung schlagen eindeutig zu Buche. Schon schwieriger ist die Frage, inwieweit der „Dakar-Prozess“ wirklich als bedeutsamer Faktor für das Ende der Apartheid gelten kann und inwieweit die Südafrikaner angesichts der globalen Verhältnisse und der Übermacht der Amerikaner und Russen es überhaupt selbst in der Hand hatten, ihr Schicksal zu bestimmen. So richtig es ist, die Handlungsspielräume von Drittstaaten im Kalten Krieg, etwa auch die Bewegung der Blockfreien, angemessen zu würdigen, so müssen auch deren Grenzen ausgelotet werden. Ferner wäre zu diskutieren, inwieweit die weißen Teilnehmer angesichts der ernüchternden Entwicklung bis in die jüngste Gegenwart doch etwas zu optimistisch in Bezug auf die Erfolgschancen waren. Zumindest bei einigen ergaben sich im Laufe der Zweifel, ob man hier dem ANC nicht doch zu kritiklos in die Hände gearbeitet hatte. Dies ist eine wesentliche Frage für alle entsprechenden Bemühungen in den letzten beiden Dekaden des Kalten Krieges. Den Verfechtern einer Entspannungspolitik wurde vor allem von konservativer Seite immer wieder vorgeworfen, sie seien zu naiv und gutgläubig hinsichtlich der als „Feind“ definierten Gegenseite (Ostblock oder ANC). Nicht selten wurde implizit oder auch offen von „Verrat“ gesprochen.

All diese Fragen, Probleme und offenen Forschungsfragen ändern nichts an der Leistung des vorliegenden Bandes. Er bietet eine sehr gute Grundlage für weitere Forschungen.

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